15 Januar 2006

1. Debattierrunde

Führt das aktuelle Regierungsprogramm der Großen Koalition aus der Lethargie?
Am vergangenen Freitag war es also soweit: die erste Debattierrunde an der Teck ist gestartet. Die illustre Runde setzte sich zusammen aus:
  1. Walter B.
  2. Hans R.
  3. Michael G.
  4. Jens K.
  5. Andreas L.
  6. Marc W.

Es herrschte Einigkeit unter den Teilnehmern, dass die von der Koalition angekündigten bzw. eingeleiteten Maßnahmen nicht geeignet sind, um die Probleme Deutschlands zu lösen. So verweist Jens auf die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer, die seiner Ansicht nach den Konsumenten zusätzlich verunsichern und die ohnehin schwache Binnenkonjunktur weiter belasten wird. Lediglich Hans konstatiert, dass sich die Stimmung unter Merkel etwas aufgehellt hat, was u.U. mehr bewirken kann als groß ange-legte Konjunkturpakete.

Insgesamt bezweifelt Walter, dass selbst bei höherem Wirtschaftswachstum ein Abbau der Arbeitsplätze möglich ist. Marc sieht sogar noch eine deutliche Zunahme der Arbeitslosen sowohl durch den fortschreitenden Abbau im verarbeitenden Gewerbe als auch durch den beginnenden Arbeitsplatzabbau im Dienstleistungssektor. Hans und auch Walter sehen dies anders. Ihrer Meinung nach wird sich der Trend der letzten Jahren wieder umkehren und die Menschen wieder verstärkt persönliche Dienst-leistungen (beispielhaft wurden die Bankberatung genannt) nachfragen.

Gefordert wird insbesondere von Seiten der Unternehmer (Walter und Hans) ein Abbau der Bürokratie. Dieser wird als ein Haupthemmnis für die Wirtschaft angesehen, weil er Investitionen verhindert und hohen Aufwand ohne erkennbaren Zusatznutzen verursacht. In diesem Zusammenhang fordert Walter die ersatzlose Streichung der kommunalen Bepflanzungsvorschriften, selbst wenn dies zu einem Arbeitsplatzabbau bei den lokalen Landschaftsgärtnern und entsprechenden Behörden führt.

Einigkeit herrscht auch bezüglich einer drastischen Vereinfachung des Steuerrechts. Andreas merkt an, dass in den letzten Jahrzehnten das Steuerrecht als Instrument in der Sozialpolitik eingesetzt wurde, was letzt-lich zur Komplexität beigetragen hat. Die von Hans geforderte Bierdeckelsteuererklärung a la Merz ist nach Ansicht Andreas jedoch mit nicht kalku-lierbaren Auswirkungen verbunden.

Als weiteres Problem für nachhaltige Reformen in Deutschland werden die Interessensverbände und Lobbyisten angeführt. Auch hier wünschen ins-besondere Hans und Walter eine Abschaffung der gesetzlich verankerten Handwerkskammern. Michael führt zudem den Marburger-Ärztebund sowie die Apothekerverband als abschreckende Beispiele von Lobbyverbänden an, die notwendige Reformen zu Lasten der Allgemeinheit blockieren.
Walter sieht für Deutschland und hier vor allem beim Abbau der Arbeitslosigkeit nur Hoffnung, wenn sich die Deutschen auf alte Tugenden zurück-besinnen und auch wieder vermehrt auf heimische Produkte zurückgreifen. Auch könnte der Arbeitsmarkt verstärkt vor ausländischen Billiganbie-tern geschützt werden. Andreas, Jens und Marc sind skeptisch ob sich hier die Uhr der Globalisierung zurückdrehen lässt bzw. ob dies überhaupt sinnvoll ist. Laut Jens und Andreas ist die Globalisierung und die damit verbundene internationale Arbeitsteilung wohlstandsmehrend.

Marc fordert vom Verbraucher nicht eine Fokussierung auf deutsche Pro-dukte sondern vielmehr eine Abkehr von der hier vorherrschenden ‚Geiz ist Geil’ Mentalität. Seiner Meinung nach ist sie ein Haupttreiber für den ruinösen Wettbewerb, der letztlich auch zu kosten der Arbeitsplätze geht. Michael wirft in diesem Zusammenhang ein, dass die Konsumenten ge-messen an der Menge nicht weniger als früher konsumieren, sondern nur billigere Waren einkaufen, was insgesamt zu Lasten des Umsatzes und damit auch der Wirtschaftsleistung geht.

Marc sieht für Deutschland nur dann eine Zukunftschance, wenn der Wechsel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft forciert wird. Jens führt zudem beispielhaft den ausgeprägten Dienstleistungssektor in den USA an, der viele Arbeitsplätze in den letzten Jahren neu geschaffen hat. Andreas und Walter sind skeptisch, ob die USA hier als Vorbild dienen können, wenn der durchschnittliche Arbeitsnehmer zum Lebensunter-halt mehrere solcher Jobs benötigt.

Michael regt an, dass Deutschland als rohstoffarmes Land vermehrt in Bil-dung und Forschung investiert. Alle stimmen dem zu und sehen insbesondere den Abbau der Kohlesubventionen als mögliche Finanzierungs-möglichkeit. In diesem Zusammenhang fordern alle den verstärkten Abbau von Subventionen, allerdings kommen mit Ausnahme der Kohlesubventio-nen keine Konkreten Vorschläge.

Fazit: Alle stimmen darin überein, dass das aktuelle Regierungsprogramm nicht aus der Krise führt. Dabei darf jedoch nicht verschwiegen werden, dass sich auch in dieser Runde die ‚Deutsche Krankheit’ bemerkbar gemacht hat. Es wurde viel Kritik (u.a. am Koalitionsvertrag und an der Gesellschaft) geübt, einiger Pessimismus geäußert und die generellen Vorbehalte gegenüber den Politikern – auch besser bekannt unter dem Stichwort ‚Politikverdrossenheit’ – vorgebracht. An Möglichkeiten Deutschland aus der Krise zu führen wurden die beliebten Schlagwörter Bürokratie- und Subventionsabbau genannt, die jedoch (leider) nicht konkretisiert wurden. Fazit: Es bleibt viel zu tun, sowohl für die Politiker als auch für den Debattierclub an der Teck, um zukunftsweisende Wege aufzuzeigen.

Es soll aber auch nicht verheimlicht werden, dass wir der neuen Regierung einiges zutrauen, nicht zuletzt wegen ihrer positiven Ausstrahlung und dem derzeit vertrauenserweckenden Auftreten.

Wir freuen uns auf jeden Fall schon jetzt auf den nächsten Termin.

2 Kommentare:

Marc hat gesagt…

Was nützt die schönste Abschreibungsmöglichkeit, wenn es aufgrund von Hemmnissen erst gar nicht zur Investition kommt.

Marc hat gesagt…

Könnte die allseits beklagte Konsumschwäche nicht zumindest in Teilen auch vom drastischen Preisverfall bei bestimmten Produkten herrühren? Man führe sich hier vor Augen, dass der Umsatz bekanntlich das Produkt aus Menge und Preis ist...